Seniorenuniversität

Seminare 2023/2024

Seminare finden im Hautgebäude der Universität Bern statt, jeweils an einem Donnerstagnachmittag von 14.15 bis 16.00 Uhr. Es sind einmalige Anlässe, bei denen Ihnen ein Dozent/eine Dozentin ein Thema vorstellt, und anschliessend eine Diskussion möglich ist. Die Teilnahme ist ausschliesslich für Mitglieder der Seniorenuniversität. Die Platzzahl ist beschränkt.

Anmeldungen per E-Mail an Frau Frischknecht sind möglich ab 15. August 2023 für die Seminare im Herbstsemester, und ab 1. Januar 2024 für die Seminare im Frühlingssemester 2024.

Programm Herbstsemester 2023

Donnerstag, 12.10.2023, 14.15 - 15.45 Uhr

Brauchen wir Helden? Zum Stellenwert des Heroischen in unserer Gesellschaft

Dr. Thomas Nehrlich, Institut für Germanistik, Universität Bern

Gibt es einen Bedarf an Heldentum? Was versteht man überhaupt unter einem Helden bzw. einer Heldin? Welche Kriterien gelten für Heldentum? Und wie haben sie sich durch die Zeiten hindurch verändert? Ist Roger Federer ein Held? Ist Greta Thunberg eine Heldin? Interessiert uns Heldentum noch? Oder wieder? Leben wir in postheorischen Gesellschaften und können Heldentum nur noch im Modus der Negation – als Anti-Helden – oder der Überbietung – als Superhelden – rezipieren? Kann es Held:innen des Alltags geben? In welchen Lebensbereichen kommt das Heroische vor? Krieg, Sport, Arbeit? Politik? Religion? Wie abhängig sind heldische Figuren von denen, die von ihnen erzählen? Um diesen Fragen nach der historischen und gegenwärtigen Bedeutung des Heldentums in unserer Kultur nachzugehen, lesen wir eine kleine Auswahl theoretischer Positionen: der Politikwissenschaftler Herfried Münkler über Postheroismus (2007), der Philosoph Dieter Thomä über den Heldenbedarf von Demokratien (2019). Aus der reichen Literatur des Heldentums, die von Achilles und Odysseus über Siegfried und Jeanne d’Arc bis hin zu Pippi Langstrumpf und Superman reicht, lesen wir einen Text mit einem besonderen Bezug zur Schweiz: Friedrich Schillers Drama "Wilhelm Tell" (1804). Ziel unseres Seminars ist eine Verständigung über den heutigen Stellenwert des Heroischen aus unterschiedlichen Perspektiven und in intergenerationellem Austausch.

Vorbereitung
– Herfried Münkler: Heroische und postheroische Gesellschaften (Scan wird zur Verfügung gestellt)
– Friedrich Schiller: Wilhelm Tell (z. B. Suhrkamp Basisbibliothek)
– Dieter Thomä: Warum Demokratien Helden brauchen (Auszüge werden zur Verfügung gestellt)

 

Donnerstag, 19.10.2023, 14.15 - 15.45 Uhr

Der Schweizerische Nationalpark heute: Spannungsfelder und Dialekte der Murmeltiere

Prof. em. Dr. Christian Schlüchter, Institut für Geologie, Universität Bern, und Sarah Marmorosch

Der Schweizerische Nationalpark ist ein kleines Stück Schweiz, das einer speziellen, auf den Naturschutz ausgelegten Gesetzgebung unterliegt nach dem Motte Schutz der Natur vor dem Menschen. Dieses Gebiet im Unterengadin ist eine wunderschöne Gebirgsgegend mit speziellen Bewohnern; aber es ist kein zoologischer Garten. Der Park hat eine eigene Verkehrsinfrastruktur (Wanderwege, Ofenpassstrasse, Livignostrassentunnel) und enthält Bauwerke der Engadiner Kraftwerke. Und dann ist da auch noch die Forschung, von vielen als Privileg betrachtet. Die direkten Kontakte zwischen Mensch und Natur sind vielfältig und können intensiv sein. Es geht für einmal nicht um eine Darstellung einer wunderbaren Natur, sondern um den Parkalltag im Hinblick auf eine allseitige Verständnisförderung.

In einem separaten Teil wird Frau Sara Marmorosch über Dialekte von Murmeltieren sprechen und für uns auch Tonaufnahmen abspielen. Sie hat dazu eine preisgekrönte Maturaarbeit verfasst, über die auch das Schweizer Fernsehen berichtete. Wie menschliche Gesellschaften, so unterscheiden sich auch Populationen von Murmeltieren von Tal zu Tal durch ihren «Dialekt». Sara Marmorosch hat die Warnrufe einer Murmeltierpopulation aus dem Münstertal in Graubünden mit denjenigen einer Population aus dem Kiental im Berner Oberland verglichen.

Vorbereitung
Keine

Donnerstag, 26.10.2023, 14.15 - 15.45 Uhr

Was hat die Eidgenossenschaft zusammengehalten? Neue Erkenntnisse aus historischer Perspektive

Dr. Daniel Schläppi, Historisches Institut, Universität Bern

Das Seminar vermittelt eine neue Perspektive auf die Schweizer Geschichte von den spätmittelalterlichen Anfängen der alten Eidgenossenschaft bis in die Gegenwart der modernen Schweiz. Im Zentrum steht dabei die genossenschaftliche Tradition, die unsere hiesigen Gemeinwesen über Jahrhunderte prägte und bis in die Moderne fortwirkt. Wer verstehen möchte, wie ein komplexes Gebilde wie der lose Staatenbund der eidgenössischen Orte überhaupt entstehen, epochale Umbrüche überdauern und im 19. Jahrhundert zum föderalistischen Bundesstaat werden konnte, muss die korporativen Strukturen, Logiken und Institutionen in den Blick nehmen.

Im ersten Teil des Seminars wird in Referatform elementares Wissen zur Schweizer Geschichte vermittelt.

Im zweiten Teil des Kurses werden die präsentierten Erkenntnisse anhand von leicht verständlichen Quellenbeispielen im offenen Gespräch vertieft.

Zur individuellen Vorbereitung können sich die Kursteilnehmenden anhand der Lektüre zweier Grundlagentexte von 2018 und 2019 in methodische, theoretische und begriffliche Überlegungen des Dozenten zu historischen Geneingütern hineindenken. Der jüngere Text führt Ideen weiter, die im älteren Beitrag von 2018 angedacht wurden. Es empfiehlt sich also, die Aufsätze in chronologischer Reihe zu lesen. Die Teilnahme am Seminar ist aber auch ohne Vorbereitung möglich.

Vorbereitung
- Daniel Schläppi, Einleitung, in: Ders., Malte Gruber (Hg.), Von der Allmende zur Share Economy. Gemeinbesitz und kollektive Ressourcen in historischer und rechtlicher Perspektive (= Beiträge zur Rechts-, Gesellschafts- und Kulturkritik, vormals Salecina-Beiträge zur Gesellschafts- und Kulturkritik 15), Berlin 2018, S. 9−70, besonders S. 30−55.
- Daniel Schläppi, Konzeptionelle Überlegungen zu einem universellen Paradigma anhand der Commons in der frühneuzeitlichen Schweiz, in: Anne-Lise Head-König et al. (Hg.), Kollektive Weiden und Wälder. Ökonomie, Partizipation, Nachhaltigkeit (= Geschichte der Alpen 24), Zürich 2019, S. 215–235.

Donnerstag, 02.11.2023, 14.15 - 15.45 Uhr

Weiterbauen wie gewohnt? Schweizer Baukultur und innovative Architekturkonzepte

Prof. em. Dr. Bernd Nicolai, Institut für Kunstgeschichte, Universität Bern

Bauen, Wohnen und Planen sind einem tiefgreifenden Wandel unterworfen. Die Schweiz als wachsende Gesellschaft ist mit Zersiedelung und Verdichtung konfrontiert. Zunehmende Klimabelastung erfordert neue Strategien beim Planen und Bauen. Wie kann eine innovative Bau- und Planungspolitik in der Zukunft aussehen, und wo steht die Schweiz im Vergleich bei der Entwicklung neuer Konzepte europaweit dar? Das Seminar analysiert zunächst aus kulturgeschichtlicher Warte den Ist-Zustand, um dann auf wegweisende Projekte einzugehen. Dabei spielt auch die Frage nach der Gestaltung und der Materialität eine wesentliche Rolle.

Vorbereitung
- Daniel Stockhammer (Hrsg.): Upcycling. Wieder- und Weiterverwendung als Gestaltungsprinzip in der Architektur, Zürich/Vaduz: Triest-Verlag, Universität Liechtenstein, 2. Aufl. 2021.
- Lukas Kubina (Hrsg.): 2038, The New Serenity. (German Pav. at the 17th Int. Architecture Exhibition, La Biennale di Venezia), München: Sorry Press 2021.

Donnerstag, 09.11.2023, 14.15 - 15.45 Uhr

Dorothy Thompson «Ich traf Hitler!»: ein scharfsinniges Zeitporträt einer US-amerikanischen Journalistin aus dem Jahr 1932

Prof. Dr. Oliver Lubrich, Institut für Germanistik, Universität Bern

Im Dezember 1931 traf die US-amerikanische Journalistin Dorothy Thompson in Berlin Adolf Hitler zum Interview. Ihr illustrierter Reportage-Essay »| Saw Hitler!« (1932), in dem sie den künftigen Diktator als Projektionsfigur des »Kleinen Mannes« entlarvt und die Psychologie seiner Anhänger analysiert, führte dazu, dass die Autorin spektakulär aus Deutschland ausgewiesen wurde. In den USA wurde Thompson zu einer Star-Kolumnistin, die vor der Gefahr des Faschismus warnte und sich während des Krieges im Radio auf Deutsch an ein geheimes Publikum in Europa wandte. In einem Hollywood-Spielfilm wurde sie von Katharine Hepburn verkörpert. Oliver Lubrich, Literaturwissenschaftler an der Universität Bern, hat »Ich traf Hitler!« als erstes Buch von Dorothy Thompson nun auf Deutsch herausgegeben. Es handelt sich um ein dramatisches Meisterstück des literarischen Journalismus und um eine psychologische Studie zum Rechtspopulismus von verblüffender Aktualität.

Vorbereitung
- Dorothy Thompson, "Ich traf Hitler!", herausgegeben von Oliver Lubrich, übersetzt von Johanna von Koppenfels, Wien: Das vergessene Buch 2023.

Donnerstag, 23.11.2023, 14.15 - 15.45 Uhr

«M» von Fritz Lang: Erzählen im Medium Film

Prof. Dr. Malika Maskarinec, Institut für Germanistik, Universität Bern

Als die ersten «bewegten Bilder» Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, war es keine Selbstverständlichkeit, dass Film ein Medium des Erzählens werden würde. Wie der Film erzählt, d. h. wie filmische Mechanismen wie der Schnitt oder die Einstellungsgröße eingesetzt werden, um Geschichten zu erzählen, wird in diesem Seminar am Beispiel von Fritz Langs Film «M» untersucht. Seit 1931 gilt «M» und seine eindrückliche Geschichte von einem seriellen Kindermörder (gespielt von Peter Lorre) als bahnbrechender Beitrag zur Filmgeschichte, der den Weg für eine Vielfalt an neuen Gattungen bereitet. Zur Diskussion steht weiterhin «M» als Zeitdokument der Weimarer Republik: Welches Bild der Epoche, seiner Unruhe und Ängste, vermittelt die Geschichte und der Erzählstil von «M»?

Vorbereitung
Zur Vorbereitung sollte der Film “M” von Fritz Lang geschaut werden. Er ist über verschiedene Filmkanäle (Netflix; Prime Video), einschließlich Youtube zugreifbar: https://www.youtube.com/watch?v=TdSL9FvCv0U

Programm Frühjahrssemester 2024

Donnerstag, 29.02.2024, 14.15 - 15.45 Uhr

«Wären Sie lieber eine Katze, eine Maus oder ein Schwein?» Art Spiegelman’s Graphic Novel «Maus» und der Holocaust

Prof. Dr. Axel Stähler, Institut für Englische Sprachen und Literaturen, Universität Bern

Die mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnete Graphic Novel "Maus" des jüdisch-amerikanischen Künstlers und Schriftstellers Art Spiegelman ist ein Meilenstein in der literarischen Auseinandersetzung mit dem Holocaust. "Maus", erschienen in zwei Bänden 1986 und 1992, ist nicht nur innovativ insofern der Text das für lange Zeit verpönte Medium des Comics für die Darstellung ernsthafter Zusammenhänge rehabilitiert. Geprägt durch markante zeichnerische Darstellungen der Akteure als Tiere konfrontiert der Text vielmehr in eindrücklicher Weise die Erinnerung an die Erfahrung des Holocaust und erörtert zudem den destruktiven Einfluss der historischen Ereignisse auf die zweite Generation von Holocaustüberlebenden. In diesem Seminar werden wir "Maus" in den Kontext der Holocaust-Literatur einordnen und im Detail analysieren und interpretieren.

Vorbereitung
- Art Spiegelman, Die vollständige Maus: Die Geschichte eines Überlebenden. Mein Vater kotzt Geschichte aus; Und hier begann mein Unglück. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag, 2008. [Zwei Bände in einem]

Donnerstag, 07.03.2024, 14.15 - 15.45 Uhr

Fremde in der griechischen Tragödie: Aktualität in antiken Texten

Prof. Dr. Oliver Lubrich, Institut für Germanistik, Universität Bern

31 griechische Tragödien sind uns erhalten geblieben – von einer Vielzahl von Stücken, die im fünften Jahrhundert v. Chr. aufgeführt wurden. Die Dramen von Aischylos, Sophokles und Euripides bilden den Ausgangspunkt der europäischen Theatergeschichte und die Grundlage zahlreicher Bearbeitungen: von Goethe und Schiller über T. S. Eliot und Jean-Paul Sartre bis zu Heiner Müller und Elfriede Jelinek. Ihre Themen sind von verblüffender Aktualität: die Abwehr eines Angriffskrieges ("Die Perser"), die Begründung des Rechtsstaates ("Orestie"), die Aufnahme von Geflüchteten aus Nordafrika ("Die Schutzflehenden"). Immer wieder verhandeln die Griechen im Theater ihr Verhältnis zu "Fremden": Sei es in Gestalt der ebenso faszinierenden wie gefährlichen "Medea" aus Kolchis im Kaukasus, in einem Chor von "Phönizierinnen" aus dem heutigen Libanon oder mit "Iphigenie bei den Taurern", d. h. auf der Krim. Das Verhältnis zu den anscheinend "Fremden" ist dabei durchaus kompliziert. Denn nicht selten fällt die "Barbarei" auf die Griechen selbst zurück, Migrationen und Einflüsse aus afrikanischen bzw. 'orientalischen' Kulturen werden sichtbar gemacht, Abstammungs- bzw. Verwandtschaftsbeziehungen stiften Gemeinsamkeit.

Vorbereitung
- Euripides, Die großen Stücke, übertragen von Raoul Schrott, München: dtv 2021, mit einem Nachwort von Oliver Lubrich ("Die Modernität der Tragödie", S. 379–405).

Donnerstag, 14.03.2024, 14.15 - 15.45 Uhr

Paul Celan – ausgewählte Lyrik Seminar

Dr. Thomas Söder, Germanist, Saint-Gingolph

Der im Jahre 1920 in Czernowitz geborene Paul Antschel gilt als einer der wichtigsten Lyriker des 20. Jahrhunderts. Seine Lyrik widersetzt sich oft geläufigen Betrachtungen und ist auf den ersten Blick rätselhaft und kaum zu verstehen. Celans Werk ist geprägt durch die Reflexion an den Holocaust: Judenverfolgung, Verschleppung und Ermordung seiner Eltern wie auch den leidvollen Erfahrungen seines persönlichen Schicksals.

Das Seminar will ausgewählte Gedichte von Paul Celan besprechen, darunter auch das 1948 publizierte Gedicht Todesfuge eingehend analysieren und vor dem Hintergrund Adornos Aussage «Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch» interpretieren. Ebenso soll auf das Gedicht Todtnauberg, eigegangen werden, in dem die Verbindung zu dem Philosophen Martin Heidegger zu finden ist.

Die ausgewählten Gedichte werden im Semiar verteilt.

Vorbereitung
Keine